|
text
Ein Besuch Das Atelier ist eine Garage: Ein Tor, kahle, rauhe, weiss getünchte Wände ohne Fenster, Röhren, die sich hinauf und hinab und den Wänden entlang ziehen. In diesem karg anmutenden Raum entsteht eine äusserst sensitive, verhaltene Kunst, die den Betrachter zuerst nur fein, dann aber immer nachhaltiger berührt. Die träumerisch schwebenden Farbklänge, der Beziehungsreichtum der Formen, die die Künstlerin Esther Huber in ihren Bildern schafft, laden dazu ein, sich in einem Reich der Stimmungen, vielleicht der Erinnerungen und Ahnungen zu verlieren. Das Tor ist immens, 4 Meter hoch, 4 Meter breit. Den Raum betritt man durch eine kleine Türe, die in die weite, aus strukturiertem Gussglas bestehende Fläche eingelassen ist. Das Tor selbst wirkt, wie wenn es für immer und ewig verschlossen wäre: es sperrt die Aussenwelt kraftvoll aus. Licht flutet durch die undurchsichtige Gussglasfläche in das Atelier; die Fläche lässt aber kein einziges Bild hinein – und keinen einzigen Blick hinaus. Die Garage hat sich gewandelt zum hermetischen Kunst-Raum, einem idealen Gefäss für die starke Verinnerlichung und hohe Konzentration, aus der die Werke Esther Hubers entstehen. In diesem Raum sitzend gerate ich, ausgehend von der Frage, was sie angesichts der leeren Leinwand empfinde, mit Esther Huber ins Gespräch. Ratlosigkeit, Hilflosigkeit habe sie dann früher jeweils ergriffen. Mit der Zeit hat sie aber Mittel gefunden, dieser Ohnmacht vorzubeugen. Einen Rahmen herstellen, ihn mit Leinwand – häufig einem Baumwollstoff – bespannen, diese Leinwand vorleimen, grundieren, die Ei-Tempera Farben anrühren und mischen: Diese handwerkliche Arbeit, der sie sich ganz und mit Musse überlässt, regt den künstlerischen Prozess an und stimmt das Material durch die richtige und respektvolle Behandlung günstig – so merkwürdig das klingen mag. Aus dieser „Tuchfühlung“ kann sich der Akt des Malens ganz direkt und natürlich ergeben. Ein weiterer Schritt kommt aber oft dazu: Esther Huber malt Innenwelten. Damit diese fliessenden, sich beständig umgestaltenden Landschaften aus dem Seelenraum aber in die Sichtbarkeit treten können, braucht es einen Stimulus, der sie Ausdruck finden lässt in einem Gefühl oder in einer Stimmung. Dieser Stimulus ist häufig eine Fotografie oder eine Zeichnung, die die Künstlerin selbst gemacht hat. Fotografie und Zeichnung sind also keine Vorlagen, sondern so etwas wie Punkte, um welche sich, was von Innen unbestimmt nach Ausdruck drängt, als ein Gefühl oder als eine Stimmung abzeichnet. Dieses Gefühl, diese Stimmung setzt Esther Huber dann in einem spontanen, intuitiven Gestus auf der Leinwand als eine erste Spur malerisch um. In ihrer tastenden Offenheit besitzt diese Spur eine vibrierende Lebendigkeit und eröffnet den Dialog zwischen dem, was ins Bild drängt, und der Künstlerin, die es ins Bild setzt. Es ist ein Sich-offen-Halten gegenüber dem, was in die Erscheinung treten möchte, ein Verzicht auf verfügende Macht, ein Prozess, in dem sich hohe Rezeptivität und gestaltende Kraft durchdringen. Aus diesem Dialog, diesem Hin und Her entsteht in einem Malvorgang, der Farbschicht über Farbschicht legt und die Farbklänge in Strukturen anordnet, schliesslich das Bild. Dieses Bild steht in Esther Hubers Kunst allerdings kaum je allein, sondern bildet zusammen mit einer oder mehreren monochromen Tafeln schliesslich ein mehrteiliges Kunstwerk. Die monochromen Flächen, transparent für die Fülle verschiedenster Farbtöne, die ihnen, übereinander gelegt, Tiefe verleihen, stützen das Hauptbild ab, nehmen es auf und verdeutlichen gleichzeitig seine Ausschnitthaftigkeit, seine Fragmentarität. In den Farben und Formen, die sie schafft, wird die Malerin zur Gesprächspartnerin einer inneren, die Grenzen des in herkömmlichen Bildern Erfassbaren überschreitenden Welt. Zu einem ähnlichen Gespräch möchten die Bilder nun auch den Betrachter bewegen. Das kann gelingen, weil Esther Huber den Weg, den sie sich hat weisen und die Gegenden, in die sie sich hat führen lassen, im Bild so sichtbar werden lässt, dass dieses auch seinen aufmerksamen Betrachter aus Grenzen hinausführt.
|










